Hausbesitzer in Florida: Mit Kunst gegen den Klimawandel

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Hausbesitzer in Florida zeigen die eigene Bedrohung durch den Klimawandel mit Hilfe der Kunst.

Der Name der Initiative wirkt wie ein trauriger Witz. Doch der Hintergrund ist ernst. Die “Underwater Homeowners Association” will im südlichen Florida vor allem diejenigen aufrütteln, die die globale Erwärmung noch immer für ein Märchen halten. Der “Verband der Besitzer von Unterwasser-Häusern” verweist dabei auch auf das finanzielle Risiko, das mit dem Klimawandel verbunden ist. Nicht alle Betroffenen sind von der Aktion begeistert.

Exakte Höhe über dem Meeresspiegel

Der Künstler Xavier Cortada bemalt “For Sale”-Schilder mit Zahlen, die teilweise in Wasser eingetaucht sind. Die Mitglieder des neuen “Verbands” kennzeichnen damit, gemessen in Fuß, die exakte Höhe ihrer Häuser über dem Meeresspiegel. Bisher sind die Schilder vor allem in Cortadas Heimatort Pinecrest zu sehen. Der Künstler hofft aber, dass die im Dezember gestartete Initiative schon bald im ganzen Land Nachahmer findet.

"Wir wohnen auf dem gleichen porösen Kalkfels, der uns quasi alle in unserer Misere vereint."
Mari Chael
Anwohnerin Pinecrest, Florida

Pinecrest ist ein wohlhabender Vorort von Miami. Was die dortigen Anwesen lange besonders begehrt machte, war die unmittelbare Küstennähe. Doch gerade die wird nun immer mehr zur Gefahr. Das Schmelzen des Polareises ist für die Bewohner nicht bloß abstrakte Theorie, sondern eine konkrete Bedrohung: Überschwemmungen werden immer wahrscheinlicher. Entsprechend haben sich inzwischen viele Pinecrester auf Cortadas Website underwaterhoa.org registriert.

Der Parkplatz wäre fast überschwemmt im Fall eines weiteren Anstiegs des Meeresspiegels.

Wenn jemand im eigenen Vorgarten darauf hinweise, dass der Standort nur zwei Meter über dem Meeresspiegel liege, dann wisse der Nachbar, dass er gleichermaßen gefährdet sei, sagt Cortada. “Man ist dann nicht mehr Demokrat oder Republikaner, nicht mehr Anhänger oder Skeptiker der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Beide befinden sich dann buchstäblich auf demselben Level.”

Viele Bewohner von Pinecrest haben sich ein “Original” von Cortada in den Rasen gesteckt. Andere haben ihre eigenen Schilder entworfen.
Studenten haben zudem an vier Straßenkreuzungen die jeweiligen Höhenangaben auf den Asphalt gemalt. Die Warnungen vor Auswirkungen des Klimawandels auf die Region sind damit auch für Durchreisende kaum zu übersehen.

Sorge um den Wert der Häuser

Auf der Website einer Lokalzeitung wird in Kommentaren kritisiert, die Schilder könnten sich für den Wert der örtlichen Immobilien als verheerend erweisen. “Will irgendwer ernsthaft so etwas vor den teuren Häusern in Pinecrest stehen haben? Vielleicht sind die Häuser ja gar nicht mehr so teuer, sobald die Welt davon überzeugt ist, dass sie in wenigen Jahren unter Wasser stehen werden”, hieß es in einem Beitrag.

"Man ist dann nicht mehr Demokrat oder Republikaner, nicht mehr Anhänger oder Skeptiker der wissenschaftlichen Erkenntnisse. Beide befinden sich dann buchstäblich auf demselben Level."
Xavier Cortada
Künstler

Doch ganz unabhängig von politischen Einstellungen oder Meinungen zu dem Kunstprojekt: Die Gefahr für die Hausbesitzer ist real. Laut aktuellen Berechnungen des von vier betroffenen Bezirken gegründeten Southeast Florida Regional Climate Change Compact wird der durchschnittliche Meeresspiegel gegenüber 1992 bis zum Jahr 2030 um etwa 15 bis 25 Zentimeter und bis zum Jahr 2060 um etwa 35 bis 65 Zentimeter steigen.

Meereshöhe einer beliebigen Adresse

Künstler Xavier Cortada mit einem seiner Bilder.

Cortada hat gemeinsam mit der Florida International University eine App namens “Eyes on the Rise” erstellt. Mit deren Hilfe kann die Meereshöhe einer beliebigen Adresse abgefragt werden. Und in Zusammenarbeit mit dem Florida Conservation Voters Education Fund zeigt der Künstler den Menschen vor Ort, wie sie sich für das Thema engagieren können.

Die “Underwater Homeowners Association” steht sowohl Mietern als auch Hausbesitzern offen. Es werden keine Gebühren erhoben und es gibt auch sonst keine besonderen Anforderungen. Ziel ist vor allem, dass unter Nachbarn mehr über den Klimawandel diskutiert wird. Alles Weitere ist den Mitgliedern selbst überlassen – ob sie etwa Schutzmaßnahmen für einzelne Häuser entwickeln, sich in der Bildungsarbeit engagieren oder sich an örtliche Politiker wenden.

Salzwasser dringt ins Grundwasser ein

Die Ortsgruppe von Cortada in Pinecrest hat sich bisher zweimal getroffen, unter Leitung des Meereswissenschaftlers Brian Haus von der University of Miami. Bei einem Treffen im Februar ging es vor allem um das Problem, dass durch den Anstieg des Meeresspiegels zunehmend auch Salzwasser ins Grundwasser eindringt. Doch die Sorgen der Bewohner gehen weit über praktische Fragen im Zusammenhang mit privaten Brunnen oder Klärgruben hinaus.

Die meisten fühlen sich im Süden Floridas wohl und würden die Region nur ungern verlassen. Die Hurrikans seien leichter zu ertragen als Waldbrände oder Eisstürme, sagen sie. Doch einige scheuen sich, noch allzu viel Zeit, Energie und Geld in die Sicherung einer womöglich nicht langfristig zu haltenden Immobilie zu stecken. “Verkauft das Haus, sobald ich nicht mehr da bin, und zieht weg”, haben sie ihren Kindern laut eigenen Angaben geraten.

"Verkauft das Haus, sobald ich nicht mehr da bin, und zieht weg."
Bewohner von Pinecrest, Florida

In der Misere vereint

 

Holly Zickler hat im nördlich an Pinecrest angrenzenden South Miami ein Picknick veranstaltet und die Teilnehmer dabei zum Gestalten von eigenen “Zahlen-Schildern” ermuntert. “Ich fände es toll, wenn die Sache sich entlang der ganzen Ostküste oder auf nationaler Ebene ausbreiten würde”, sagt sie. Der Anstieg des Meeresspiegels sei ein Problem, dem sich kein Hausbesitzer im Süden Floridas entziehen könne, sagt eine von Zicklers Nachbarinnen, die auf nur knapp zwei Meter Höhe lebende Mari Chael. “Wir wohnen auf dem gleichen porösen Kalkfels, der uns quasi alle in unserer Misere vereint.”

Quelle: Jennifer Kay, AP